Deine Helden von damals: Uwe Reinders

"In Rostock war schnell klar: Hier bin ich Pionier, Aufklärer und Hoffnungsträger.“

Uwe Reinders jubelt im Trikot von Werder Bremen
Lebenslang grün-weiß. Uwe Reinders ist auch als ‚Rentner‘ Werder Bremen nach wie vor sehr verbunden. ©imago images/Kicker/Eissner/Liedel

Die Dauerkarte, die den Altstars mit mehr als 200 absolvierten Bundesligaspielen für Werder Bremen laut Vorstandsbeschluss zusteht, nutzt Uwe Reinders gern. Denn dabei trifft er dann die alten Kollegen wieder. Die aus der Generation Otto Rehhagel: Den Johnny Otten, Günter Hermann, den Votava, den Möhlmann und manch anderen. Und manchmal wird es in der Loge der Torwart-Ikone Dieter Burdenski, auch noch etwas länger so richtig gesellig. Im Fußballer-Leben des Uwe Reinders steht Werder an Nr. 1. Zwischen 1977 und 1985 hat er in 344 Profi-Einsätzen im grün-weißen Trikot die Nr.7 getragen und insgesamt 135 Treffer erzielt.

Zweimal, 1983 und 1985, ist er mit Werder Vizemeister geworden. Und je nach Stimmungslage freut oder ärgert er sich darüber. Trainer indes wurde er beim SV Werder nicht. Auch nicht in den Bereichen der hochkarätigen Ausbildungsarbeit der Bremer. So ist die Nr.1 in der Trainerkarriere des Uwe Reinders der FC Hansa Rostock. Genau am selben Tag, als in der DDR die D-Mark eingeführt worden ist, am 1. Juli 1990, heuerte Uwe Reinders als erster Trainer aus dem Fußball-Westen im Fußball-Osten an.

Zu einem Zeitpunkt, als die Juwelen des DDR-Fußballs, Sammer, Thom, Kirsten, Doll und Co., in der Bundesliga aufgeteilt wurden, ging Reinders den entgegen gesetzten Weg. Ein guter Grund für uns, mit Uwe Reinders – genau jetzt zum 30-jährigen Jubiläum des Wegfalls der Grenzen – in dessen Erinnerungen zu kramen. Es sind Erinnerungen an eine Pionierarbeit sowie an eine besonders bunte Karriere.

Uwe Reinders, wie ist Ihnen zumute, wenn sich Menschen in den längst auf Hochglanz polierten ostdeutschen Hochburgen auch heute noch öffentlich die DDR zurückwünschen?
Uwe Reinders: „Ganz ehrlich: Da könnte ich fuchsteufelswild werden. Niemand hat den Menschen die DDR weggenommen. Die Menschen selbst sind für ein besseres Leben auf die Straße gegangen. Die DDR war in Milliardenhöhe pleite. Geringe Mieten, sichere Jobs und Rente: Alles Schwindel, denn längst vom Westen finanziert. Dass danach bei der Neuverteilung ostdeutscher Potentiale Fehler gemacht worden sind, ist ein anderes Thema.“

Was wussten Sie über das Leben in der DDR, als Sie zum 1. Juli 1990 bei Hansa Rostock als Trainer anheuerten?
Reinders: “Ich bin dort genauso unvoreingenommen hin, wie ich das einige Jahre zuvor getan habe, als ich als Spieler nach Frankreich ging. Für mich ging es beide Male primär um Fußball und in diesem Metier konnte ich mich sattelfest und sicher fühlen. Aber in Rostock war schnell klar: Hier bin ich Pionier, Aufklärer und Hoffnungsträger.“

Es ging mir darum, die Menschen in Rostock nicht zu enttäuschen. (über ein abgelehntes Angebot der Bayern)

Und gaben den Ehefrauen Ihrer Spieler anfangs sogar Kochunterricht?
Reinders: „Tatsächlich fand die neue Eigenverantwortung meiner Spieler auch in der Küche statt. Die Spieler hatten zu DDR-Zeiten bei Hansa einen Ganztagsjob und somit quasi Training mit Halbpension. Zuhause gab es dann nur noch Abendbrot. Als die Rundumversorgung abgeschafft wurde und die Spieler zwischen den Trainingseinheiten nach Hause fuhren, guckten sie in leere Töpfe.

Also habe ich die Frauen einige Male zusammengetrommelt und ihnen dargestellt, dass ein Teil des neuen ordentlichen D-Mark-Gehalts jetzt in einen dem Leistungssport angepassten Mittagstisch fließen muss. Die Vorschläge, die ich gemacht habe, hatte mir meine Frau mitgegeben. Schließlich war das alles bei mir lange Zeit erfolgreich angewandt worden.“

In Rostock schafften Sie das, was Ihnen als Spieler nie gelungen ist: Sie wurden Meister! Sie durften eine historische Meisterschaft feiern: Die Letzte in der Geschichte des DDR-Fußballs…
Reinders: “… und obendrein wurden wir letzter Pokalsieger in der DDR. Verschweigen Sie mir das Double nicht. Das war großartig. Die Menschen in Rostock waren so glücklich und so unglaublich stolz auf ihre Fußballspieler. Rostock endlich mal ganz oben – nicht allein auf der Landkarte.“

Uwe Reinders beim Spiel zwischen Hansa Rostock & dem FC Bayern
Pionier. Als erster westdeutscher Trainer im Fußball-Osten feierte Uwe Reinders mit Hansa Rostock große Erfolge. ©imago images/HJS

Dann kam die Bundesliga, also die Bühne, auf der Sie sich bestens auskannten. Und dann der große FC Barcelona im Europacup, wo Sie ja mit Werder auch einige prägende Erlebnisse hatten. Welche Fragen stellten Ihnen Ihre Hansa-Spieler?
Reinders: “Packen wir das, Trainer?“, fragten die Jungs, packen wir das? Klar, habe ich gesagt: Wenn Ihr keinen Schiss habt, wenn Ihr mutig, hellwach und mit voller Präsenz aktiv seid, dann packen wir das.“

Klingt nach Otto Rehhagel. Die vielen Jahre mit Otto haben auch bei Ihnen Raumtiefe hinterlassen?
Reinders: „Otto war besonders überzeugend, wenn es darum ging, uns punktgenau zu motivieren. Da musste Einiges von ihm auch bei mir hängenbleiben. Otto hat uns starkgemacht, indem er uns immer aufs Neue gezeigt hat, wie sehr er uns schätzt.“

Tatsächlich ging bei Hansa gleich richtig die Post ab. Drei Spiele, drei Siege, darunter sogar ein 2:1 bei den großen Bayern. Und dafür gab es sogar ein Sonderlob von Franz Beckenbauer. Erinnern Sie sich?
Reinders: “Sie meinen, dass Franz danach öffentlich erklärt hat: So einen Trainer wie Reinders können wir bei den Bayern auch gut gebrauchen?“

Mit mir hätte die Mannschaft die Bundesliga gehalten. (über sein vorzeitiges Ende bei Hansa)

Das war ein Ritterschlag des Fußball-Kaisers. Warum wurde daraus nichts?
Reinders: „Weil ich an Hansa und an den Sinn dieser Zusammenarbeit geglaubt habe. Nur weil ich nie auf den Mund gefallen war, heißt das nicht, dass ich nicht auch für Werte einstehe: Hier ging es mir darum, die Menschen in Rostock nicht zu enttäuschen. Ihnen Verlässlichkeit zu geben, Wort zu halten. Ja, die Bayern fragten an, doch ich bin nicht darauf weiter eingegangen. Stattdessen habe ich auf meinen noch zwei Jahre laufenden Vertrag in Rostock verwiesen.“

Aus heutiger Sicht ein Fehler?
Reinders: „Ein brutaler Fehler. Doch ich ahnte zu diesem Zeitpunkt nicht, dass der Kische Hansa übernehmen und den Klub wieder im Stil der DDR führen wird.“

Mit dem bitteren Ende der vorzeitigen Trennung…
Reinders: „Er hat mich rausgeschmissen, weil ich nicht akzeptiert habe, dass er ständig an meinem bestehenden Vertrag rumnörgelte. Vertrag kommt von Vertragen. Kische hatte davon offenbar nie gehört.“

Hätten Sie Hansa gerettet?
Reinders: „Ja, mit mir hätte die Mannschaft die Bundesliga gehalten. Wenn uns Kische in Ruhe gelassen hätte.“

Uwe Reinders im Duell mit Graham Rix bei der WM 1982
Vize-Weltmeister. Aufgrund einer Verletzung bestritt Uwe Reiners bei der WM 82 nur drei Spiele. ©imago images/Frinke

Einige Jahre zuvor hatte Franz Beckenbauer schon einmal eine Lanze für Sie gebrochen…
Reinders: „Ja, irgendwie schien der Franz einen Narren an mir gefressen zu haben. Als ich im Vorfeld der WM‘82 im Werder-Angriff eine besonders gute Zeit hatte, hat Franz über sein Transportmittel, also über BILD, meinen Einsatz in der Nationalmannschaft gefordert. Jupp Derwall gehorchte und ich war bei der Endrunde in Spanien dabei…“

Bis Sie beim Tischtennis in Badelatschen ausrutschten und sich im Knie das Außenband rissen…
Reinders: „Hier streikt mein Erinnerungsvermögen. Doch weil ich mich bei dieser WM sogar als Torschütze nützlich machen konnte, fühle ich mich trotzdem als Vize-Weltmeister.“

Und im ersten Bundesligaspiel nach der WM schrieben – besser warfen – Sie Sportgeschichte. Wie war dies möglich?
Reinders: „Otto Rehhagel hat immer gesagt: Uwe, werfen Sie einfach so weit Sie können. Irgendetwas springt dabei immer heraus. Und als der Pfaff danebengreift, liegt der Ball plötzlich im Netz.“

Sieg durch einen Einwurf von Reinders…
Reinders: „Leider nicht. Das Tor ist mir nicht zugesprochen worden, weil per Einwurf kein Treffer erzielt werden darf. Da Pfaff mit den Fingerspitzen dran war, war es dann offiziell ein Eigentor. Schwamm drüber: Hauptsache Sieg gegen die Bayern.“

Wenn er antritt, wird es im Weserstadion sofort besonders höllisch laut. (über Milos Rashica)

Wie hat es sich für Sie angefühlt, als man Ihnen einen Bundesliga-Aufstieg weggenommen hat?
Reinders: „Sie denken da an meinen Trainerjob beim MSV Duisburg, direkt nach Hansa Rostock. Es lief alles recht rund. Sechs Spieltage vor Schluss war die Bundesliga zum Greifen nahe. Doch der Klubchef entschied: In der Bundesliga übernimmt Lienen. Und da der sowieso bereits dort dauernd nervig rumschlich, habe ich mich direkt verabschiedet und den Ruhm meinem Nachfolger überlassen. Aus heutiger Sicht war auch dies ein Fehler. Den Aufstieg hätte ich noch mitnehmen müssen.“

Wir erinnern uns an ein Match gegen den HSV, in dem Sie Beckenbauer extrem schlecht aussehen ließen und ruckzuck zwei Treffer zum 3:2-Sieg für Werder erzielten. Könnte die Wertschätzung des Kaisers damit etwas zu tun haben?
Reinders: „In der Tat war dies wohl mein spektakulärstes Bundesligaspiel in meiner Karriere. Ob Jakobs, Hidien, Wehmeyer, Jimmy Hartwig oder der Franz – egal, wer sich mir entgegenstellte: Ich bin immer vorbeigekommen, denn an diesem Tag gelang mir alles. Und einer der beiden Treffer wurde auch noch zum „Tor des Monats“ gewählt. Ja, vielleicht hat der Franz aus diesem Erlebnis mitgenommen: Mensch, der Reinders: Ist der gut.“

Aktuell hat Werder wieder so einen Draufgänger, so einen Auf-und-davon-Angreifer, der – wie einst Sie es konnten – seine Gegenspieler abschüttelt wie lästige Insekten. Wie gefällt Ihnen der Rashica?
Reinders: „Um im Jargon von Beckenbauer zu bleiben: Mensch, der Rashica: Ist der gut. Ja, absolut richtig. Der Junge hat Dampf, der jagt in die Brennpunkte, der ballert rechts wie links aufs Tor. Der ist Superklasse. Hoffentlich bleibt er uns noch eine Zeitlang erhalten. Denn er ist extrem wichtig für das Team und er ist ein Publikumsfänger. Wenn er antritt, wird es im Weserstadion sofort besonders höllisch laut.“

Sie machen sich Sorgen?
Reinders: “Wir kennen das doch in Bremen seit Jahr und Tag: Werder hat Johan Micoud verloren, als er nicht zu ersetzen war. Ebenso war das bei Diego und auch der Verlust des besten Kruse, den es je gab, war ein Pokerspiel. Der Fußball wird längst vom Geld regiert. Das ist auch bei uns in Bremen so.“

Doch beim Verbleib von Maximilian Eggestein wird Werder-Trainer Kohfeldt ein hohes Maß an Einfluss zugesprochen. Ist er der nächste Jürgen Klopp?
Reinders: „Auch mir gefällt die Frische und die Offenheit, mit der Kohfeldt hier bei Werder agiert. Ich bin überzeugt, dass bei ihm nichts unausgesprochen bleibt und dass somit jeder Spieler immer genau weiß, woran er ist bei Werder. Das ist gut für die Kultur des Miteinanders, für die Gemeinschaft, für ein weiteres gemeinsames Wachsen. Wenn auch Klopp, der jetzt Weltstar ist, immer noch so achtsam ist, dann: Ja, dann stecken tatsächlich Ähnlichkeiten in ihren Arbeitsweisen und ihrem Umgang mit den Spielern.“

Machen Sie wegen Kische seitdem einen großen Bogen um Rostock oder wie halten Sie Kontakt?
Reinders: „Ich hatte damals einen großartigen Kapitän und verlängerten Arm im Team: Juri Schlünz. Wir haben uns nie aus den Augen verloren. Und wenn ich irgendwo an der Ostsee ein Kinderfußballcamp leite oder als Coach unserer Werder-Altliga-Truppe aktiv bin, dann treffen wir uns. Vom Sommer dieses Jahres habe ich eine besonders herzliche Erinnerung aus Rostock mitgebracht: Einen großen, dicken Apfel.“

Ein Geschenk an die Gesundheit…
Reinders: „Den hat mir eine Obsthändlerin geschenkt, als sie mich bei meinem Rundgang durch Rostock erkannte. Sie sagte: Hier nimm diesen Apfel als Dankeschön für damals. Ein Apfel – was für eine großartige Geste der Wertschätzung. Dies werde ich nie vergessen.“

Wir auch nicht, Uwe Reinders, genauso wenig wie unser Gespräch. Herzlichen Dank für Ihre Erinnerungen und Einschätzungen.

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