Deine Helden von damals: Ranisav Jovanovic

"Werde oft an den Aufstieg erinnert."

Ranisav Jovanovic jubelt für Fortuna Düsseldorf
Ranisav Jovanovic spielte vier Jahre für Düsseldorf – und schoss die Fortuna 2012 zum Aufstieg. ©Imago images/Thomas Zimmermann

Ranisav Jovanovic hat in über 200 Partien in der Bundesliga sowie der 2. Bundesliga viel erlebt – und sich als wahrer Aufstiegsspezialist erwiesen. Bereits zu Beginn seiner Karriere schoss er Dynamo Dresden in die 2. Bundesliga, sein Höhepunkt war das entscheidende Tor für Fortuna Düsseldorf in der Relegation gegen Hertha BSC, gleichbedeutend mit dem Bundesliga-Aufstieg der Düsseldorfer.

Doch auch Abstiegskampf beherrscht der heutige Trainer, wie seine Jahre in Sandhausen bewiesen. Mit Wettmaxx.com spricht Jovanovic in der Reihe „Helden von damals“ über vergangene Tage und wie er seine Erfahrungen weitergibt.

Herr Jovanovic, vor einem halben Jahr haben Sie ein neues Kapitel aufgeschlagen und als Cheftrainer den Oberligisten SC Düsseldorf-West übernommen. Wie dürfen wir uns den Trainer Ranisav Jovanovic vorstellen?
Ranisav Jovanovic: „Ich bespreche mit meinen Spielern unseren Plan, strukturiere Vieles im Teamverbund, lasse aber ebenso viel Platz für individuelle Potenziale. Meine Mannschaft soll den Ball besitzen, doch dabei stets mit entschlossenem Antriebsspiel begeistern. Das sieht oftmals richtig gut aus. Nur eines klappt aktuell nicht: Die Verwertung zahlloser Torchancen. 

So haben wir wohl  6,7 Punkte liegen lassen in den vergangenen 5 Spielen. Doch wir motivieren uns Woche für Woche aufs neue, um uns im nächsten Match zu belohnen. Ansonsten versuche ich, viele Dinge, die in meiner aktiven Karriere funktioniert haben, an meine Spieler weiterzugeben. Und vor allem denke ich stets an das, was ich als Spieler oftmals vermisst habe: Das individuelle Feedback, eine Umarmung, ein Zeichen: Bleib dran: Ich zähle auf Dich.“

Christoph Franke war genau der richtige Trainer. (über seine Profi-Anfänge)

Inwieweit hilft Ihnen ihre Erfahrung von über 200 Auftritten in der 1. und 2. Bundesliga?
Jovanovic: „Natürlich gibt es viele Details, die weiterhelfen. Ich sage den Jungs immer, wie wichtig das Positionsspiel ist: Wo kann ich mich hinbewegen, um den Ball zu bekommen? Wo kann ich mich hinbewegen, um einem Mitspieler den Raum zu öffnen? Aber auch Dinge, die aus meiner Sicht selbstverständlich sind: Wie positioniere ich mich zum Ball oder wie stelle ich mich zum Gegner.

Natürlich spielt auch die taktische Ausrichtung eine Rolle. Und dann natürlich Standards, von denen ich in meiner Karriere als Kopfballspezialist stets profitiert habe. Viele meiner Jungs erleben gerade eine fußballerische Ausbildung auf dem zweiten Bildungsweg quasi. Und sie machen das sehr gut.“

Sie haben in Ihrer Karriere unter vielen Trainer gespielt. Wer hatte den größten Einfluss auf Sie?
Jovanovic: „Ich hatte sehr viel Glück, dass ich zum Start in meine Profikarriere in großartige Obhut geriet. Christoph Franke holte mich von TeBe Berlin zu Dynamo Dresden. Dort war ich zum ersten Male weg aus Berlin, hatte meine Ausbildung zum Metallbautechniker abgeschlossen und nun – mit 20 Jahren – Vertragsfußballspieler mit täglichem Training.

Hier war Franke mit seiner wohltuenden väterlichen Art genau der richtige Trainer: Er spürte, wie er mich behandeln und anpacken musste, wie er mir mich hineinsteuern konnte in diesen so neuen Start ins eigene Leben. Das Resultat ist bekannt: Ich habe dort eine tolle Zeit gehabt, auf dem Spielfeld auf mich aufmerksam gemacht und gar den goldenen Schuß zum Aufstieg in die 2.Bundesliga platziert.

Schon kurz nach der Winterpause hatte sich bereits Jürgen Klopp gemeldet und mir gesagt, dass er mich gern in Mainz sehen würde. Bei Klopp habe ich dann bis zu seinem Wechsel nach Dortmund dreieinhalb Jahre in Mainz gespielt bin zum zweiten Male aufgestiegen: Doch diesmal in Liga 1. Zwei weitere Aufstiege sollten dann folgen: Mit Norbert Meier bei Fortuna Düsseldorf.“

Wir haben alle gebannt an seinen Lippen geklebt. (über Jürgen Klopp)

War damals schon absehbar, dass Jürgen Klopp solch eine Trainerlaufbahn hinlegen würde?
Jovanovic: „Jürgen Klopp war eine geballte Ladung Energie, Motivations- und Überzeugungskraft. Ja, wir haben alle gebannt an seinen Lippen geklebt, wenn er seine präsente Stimme erhob. So hat er uns wiederholt zum Erhalt der Bundesliga getrieben, obwohl wir auf den ersten Blick wohl nicht unbedingt eine erstligareife Mannschaft verkörperten.

Klopp musste in Mainz wahrscheinlich auch mit dem kleinsten Etat der Liga auskommen. Doch er konnte uns damals schon emotional packen und viele Ressourcen wecken. In Dortmund hat er dann mit besseren, schnelleren Spielern seinen Stil weiterentwickelt: Dieses schnelle Umschalten, nicht auf Ballhalten spielen, sondern geradlinig und schnell nach vorne und das mit Überzeugung. Wenn Du als Spieler keine Überzeugung und keinen Mut hast, nützt Dir auch Schnelligkeit nichts. Ja, mir war klar, dass er einen großen Weg vor sich haben würde.“

Nach Aktionsfeldern in Mainz, Düsseldorf und Duisburg wechselten Sie im Sommer 2013 nach Sandhausen. War die 15.000-Einwohner-Gemeinde im ersten Moment ein Kulturschock?
Jovanovic: „Ich gestehe: Ich habe in Heidelberg gewohnt, darum fiel der Kulturschock eher gering aus. Im Gegenteil: Heidelberg ist eine sehr, sehr schöne Stadt, die Lebensqualität ist dort großartig. Auch der Fußballstandort Sandhausen hat einen besonderen Charme. Ja, es ist alles viel, viel kleiner als üblich und leider ist die Fangemeinde zwar herzlich, doch eben nicht im sportlichen Sinne eine spürbare große Unterstützung.

Dem gegenüber hat man als Spieler mehr Ruhe dort. In Mainz, Dresden, Düsseldorf oder Duisburg bekommst du mehr ab, wenn es mal nicht so läuft. Also von den Medien, den Verantwortlichen oder dem Trainer etc.  Andernorts spürte ich stärker den Druck, dem alle Beteiligten ausgesetzt sind. In Sandhausen blieb alles ruhiger, weil auch die Erwartung nicht so groß war.

Da hieß es immer ‚Klasse halten um jeden Preis‘ – dies genügt. Und das haben wir in meiner Zeit dort bravourös gestemmt – obwohl die DFL gegen Sandhausen in zwei der drei Spielzeiten heftige Punktabzüge verhängt hatte.“

Linsmayer jubelt mit Jovanovic
Jovanovic (hinten) hat weiterhin guten Kontakt nach Sandhausen. ©Imago images/Eibner

Acht Spieler aus Ihrer Zeit sind immer noch beim SVS aktiv. Ist diese Kontinuität ein Erfolgsfaktor?
Jovanovic: „Dies ist sehr, sehr wichtig. Sandhausen ist ein Team, dass von der Gemeinschaft lebt und mit dieser positiven Kultur des Miteinanders quasi der SC Freiburg der 2. Bundesliga ist. Eine solch intakte Gemeinschaft ist in jeder Spielzeit 15 Punkte wert. Die Spieler kennen das Umfeld und den Verein ganz genau.

Diese Erfahrungen übernehme ich gerade in mein Projekt beim SC West: Den guten Kern beisammenhalten und wichtige Positionen verbessern. Dies macht Sandhausen und holt immer wieder Spieler dazu, die in den Jahren zuvor zwar eine oder zwei Ligen tiefer gespielt haben, aber die Qualität für die 2. Liga haben. Da haben sie ein gutes Scouting und immer Spieler gefunden, die dem Verein und der Mannschaft helfen.“

Mit Tim Kister telefoniere ich alle zwei Wochen. (über den Kontakt nach Sandhausen)

Mit wem halten Sie noch Kontakt?
Jovanovic: „Mit Tim Kister telefoniere ich alle zwei Wochen. Da steht auch mal wieder ein Besuch an. Und mit Leart Paqarada, Erik Zenga oder Denis Linsmayer existiert ein regelmäßiger Austausch in den sozialen Medien mit Späßchen und Gratulationen, wenn ein schönes Tor gelungen ist. Der Kontakt nach Sandhausen bleibt erhalten.“

Vor jeder Saison galt der SVS als Abstiegskandidat, hielt aber immer die Klasse. Warum gelingt das auch in diesem Jahr?
Jovanovic. „In meiner Zeit dort agierte mit Alois Schwartz ein Trainer, der sehr viel Wert auf Disziplin und Fitness legte. Ich war wohl nie so fit wie in Sandhausen, obwohl ich dort schon 33, 34 Jahre alt war. Er kam weniger über das Fußballerische, so habe ich es empfunden. Der Fokus lag auf der Defensive und vorne reicht dann eben ein Tor.

Heute und vor allem aktuell unter Uwe Koschinat, der mich übrigens direkt nach Sandhausen zu Fortuna Köln holen wollte – leider bin ich zum Insolvenzklub FSV Frankfurt gewechselt – , spielt das Team den wohl besten Fußball in der Liga2-Laufbahn des Vereins. 

Nach wie vor ist es zudem so, dass grundsätzlich niemand gern gegen Sandhausen spielt, vor allem nicht in Sandhausen, denn Sandhausen ist und bleibt institutionalisiertes Underdog-Dasein. Beinahe jeder Gegner, der gegen Sandhausen antritt, hat nichts zu gewinnen, doch viel zu verlieren.“

Mit Fortuna-Blut peitschen sie die Jungs nach vorne. (über Bodzek und Fink)

Sie sind nach Ihrer aktiven Karriere nach Düsseldorf zurückkehrt und leben heute noch dort. Wie nehmen Sie die Fortuna wahr?
Jovanovic: „In meinen vier Düsseldorfer Jahren habe ich mit meiner 4-köpfigen Familie dort sesshaft gemacht. Als Leiter eines Sportgeschäfts hier im Zentrum Düsseldorfs („Fußballgott24“)  erlebe ich täglich viele Fortuna-Fans die mich erkennen und sofort reden wir über den Klub. Mit Matthias Zimmermann habe ich einen guten Freund, der bei der Fortuna spielt und mit dem ich fast täglich Kontakt habe, da spricht man einfach über Fußball. Ich schaue mir die Spiele an, war schon ein paar Mal im Stadion. Die Fortuna ist in der Stadt einfach allgegenwärtig, da kriegt man Vieles mit.“

Mit Adam Bodzek und Oliver Fink sind noch zwei aus Ihrer Zeit dabei. Was bedeuten diese – mit Verlaub – Oldtimer für die Fortuna?
Jovanovic: „’Finki‘ ist Kapitän inzwischen und unübersehbar genießt er bei Friedhelm Funkel ein so hohes Ansehen, wie er es wohl noch nie zuvor erlebt hat. Großartig, ich freue mich für ihn, der immer ein loyaler Kollege für mich war. Fink und Bodzek sind gewiss nicht mehr die Schnellsten, machen das aber eben mit Cleverness und Erfahrung wett.

Mit ihrem Fortuna-Blut peitschen sie die Jungs nach vorne und sind wichtig für die Mannschaft. Vor allem für die jungen Spieler. Da hat Fortuna ohnehin eine gute Mischung aus jungen Wilden, die teilweise extrem schnell sind wie Dodi Lukebakio oder Benito Raman, und auf der anderen Seite eben die Erfahrenen wie Fink, Bodzek oder auch Zimmermann, der schon viele Erst- und Zweitligaspiele gemacht hat.“

Der Moment war überwältigend. (über den Aufstieg mit Fortuna)

Die Fortuna galt für viele als Abstiegskandidat Nr.1, ist bei aktuell 16 Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz aber faktisch gerettet. Haben Sie dies der Mannschaft zugetraut?
Jovanovic: „Ich würde lügen, wenn ich ja sage. Ich habe es ihnen nicht zugetraut, weil ich mit den Neuverpflichtungen im Sommer einfach nichts anfangen konnte. Lukebakio und Raman haben mir zum Beispiel nichts gesagt, das muss ich zugeben. Natürlich macht man sich dann schlau, schaut auf die Statistiken. Lukebakio kam aus England von Watford, hat dort nicht viele Spiele gemacht und dann kannst du es nicht einschätzen. Das sind dann Wundertüten.

Doch das Scouting, mit meinen ehemaligen Weggefährten Uwe Klein und Christian Weber, hat da wirklich gut gearbeitet. Das gilt auch für Rouwen Hennings, ein erfahrener Zweitligaspieler, der dort immer seine Tore gemacht hat.

Dass Zimmermann dort spielt, habe ich sogar ein wenig beeinflusst und gesagt: ‚Jungs, holt den! Günstiger kriegt Ihr ihn nicht als nach seiner Kreuzbandverletzung‘. Da haben sie einige gute Treffer gelandet, obwohl es am Anfang nicht so gut lief. Dann haben sie sich gefangen und mit Friedhelm Funkel spielt ein erfahrener Trainer dann natürlich eine wichtige Rolle. Er packt die Jungs richtig an und man sieht ihnen an, dass sie alle zusammen Freude haben.“

Wie häufig werden Sie auf der Straße noch auf den 15. Mai 2012 angesprochen?
Jovanovic: „Ja, das ist wohl für alle Zeiten mein Lebensthema Nr.1 als Fußballer. Oft werde ich daran erinnert von Menschen, die dabei waren damals beim Aufstiegsduell mit der Hertha oder am Fernseher reflexartig vom Sessel gesprungen sind als mein Kopfball reinging. Auch auf dem Sportplatz bei Spielen des SC West höre ich oft: ‚Ich hab‘ Dich früher angefeuert. Cool, dass Du jetzt hier Trainer bist!‘ Vielleicht traut sich der Eine oder Andere auch nicht, aber bei vielen Fans ist das vermutlich noch im Hinterkopf: ‚Da war doch mal was mit dem Rani‘.“ (lacht)

Sie schossen damals Fortuna mit  Ihrem Tor gegen Hertha BSC in die 1. Bundesliga. Ihr schönster Moment als Spieler?
Jovanovic: „Der Moment war überwältigend. Am Tag zuvor war ich Vater geworden und dann köpfe ich dieses Tor, ja, da war ich schon auf Wolke sieben und riss mir förmlich das Trikot vom Körper.

Doch es gab weitere Rauschmomente für mich als Torschütze: Kennen Sie noch diesen unglaublich hohen Pulk aus jubelnden Menschen nach meinem Last-Minute-Siegtor über Dynamo Dresden wenige Wochen zuvor. Als sogar noch Norbert Meier nach langem Sprint im Hechtsprung obendrauf landete.

Und schon 2004 in Dresden als Dynamo-Stürmer gab es diesen entscheidenden Treffer vor keine Ahnung wie vielen Fans. Es durften eigentlich nur 28.000 rein, aber 40.000 waren im Stadion. Den Ordnern war es egal, sie haben einfach alle reingelassen. So um die 80. Minute habe ich das 1:0 gemacht, ein technisches Kabinettstückchen mit Glücksgefühlen hoch zehn.“

Herr Jovanovic, wir wünschen Ihnen, dass Ihnen Ihre Trainerkarriere eines Tages ähnliche Highlights bieten kann…

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