Deine Helden von damals: Michael Thurk

"Frankfurt war im Nachhinein ein Fehler"

Zweikampf zwischen Marko Rehmer und Michael Thurk
Sympathien klar verteilt. Michael Thurk (r.) drückt im Pokal-Derby dem FSV Mainz 05 die Daumen. ©Imago/Jan Hübner

Michael Thurk stand in seiner Karriere in über 300 Partien in der Bundes- sowie der zweiten Liga auf dem Platz und heimste besonders in Mainz und Augsburg die Sympathien der Fans ein. Auf dem Feld war der gebürtige Frankfurter ein unermüdlicher Kämpfer und Torjäger – das beweisen seine insgesamt 146 Treffer im Profifußball. Im Interview für unsere Reihe „Helden von damals“ spricht der heute 41-Jährige über das anstehende Pokal-Derby, Kumpel Sandro Schwarz und dem Rat zu mehr Gelassenheit am Bruchweg.

Heute ist die Bundesliga in Mainz Gewohnheit. (über verwöhntes Publikum)

Herr Thurk, Im Pokal treffen diese Woche Ihre beiden ehemaligen Vereine Frankfurt und Mainz aufeinander. Wem gönnen Sie das Weiterkommen mehr?
Michael Thurk: „Mein Bezug zu Mainz ist natürlich deutlich größer, weil ich dort sechseinhalb Jahr gespielt habe, in Frankfurt nur eineinhalb Jahre. Meine Kontakte nach Mainz sind auch deutlich intensiver, sodass ich den Mainzern das Weiterkommen mehr gönne, weil sie auch in einer sehr schweren Situation sind. Meinem Kumpel Sandro Schwarz gönne ich es umso mehr.“

Bei den 05ern sitzt Ihr Freund und früherer Mitspieler Sandro Schwarz auf der Trainer-Bank. Mit welchen Qualitäten kann er die Mannschaft wieder aus dem Tabellenkeller führen?
Thurk: „Ich glaube das hat man gegen Bayern München gesehen. Das war ein richtig gutes Spiel von Mainzer Seite. Man hat sich leider nicht für den Aufwand belohnt und hätte mehr verdient gehabt. Sandro ist ein sehr emotionaler Mensch, er wird die Jungs wieder aufrichten und sie zu einer guten Leistung pushen.“

Hamburg und Stuttgart haben zuletzt reagiert, wann wird in Mainz die Trainerfrage gestellt?
Thurk: „Das kann man gar nicht miteinander vergleichen. In Hamburg geht es schon seit Jahren drunter und drüber. Man muss die Voraussetzungen in Relation setzen zu denen, die Mainz 05 hat. Auch in Stuttgart herrschen andere finanzielle Voraussetzungen als in Mainz. Ich denke daher nicht, dass die Trainerfrage in Mainz gestellt wird.

Die fußballerische Qualität passt, das einzige was nicht passt, ist die Chancenverwertung. Was soll man dem Trainer vorwerfen? Er kann sie ja nicht selber reinschießen. Das hat dann eben mit Glück zu tun. Gegen Bayern hat man es nicht geschafft, den Ball aus einem Meter über die Linie zu drücken, da bist du als Trainer die ärmste Sau.“

Würde Sandro Schwarz denn als Trainer in die 2. Liga gehen?
Thurk: „Sandro Schwarz ist ein Typ, der immer mitanpacken würde. Gerade wenn er selber beteiligt wäre, wenn so etwas geschehen würde. Vom Charakter her ist er nicht der Typ, der gleich auf das nächste Pferd springt. In Mainz ist das Umfeld auch besonnen: Damals haben wir mit Jürgen Klopp in der Bundesliga in den ersten fünf Spielen fünf Niederlagen kassiert. Da hat man nicht das Gefühl gehabt, hier brennt der Baum, und am Ende haben wir souverän die Klasse gehalten. Das ist eine Stärke, die Mainz hat. Es wäre wünschenswert, wenn man jetzt mit dieser Situation auch so umgeht und den Druck auf Trainer und Mannschaft nicht zu hoch werden lässt. Dann können alle gemeinsam in eine Richtung gehen und für ein gemeinsames Ziel kämpfen.“

Der FSV beklagt auch die geringen Zuschauerzahlen. Ist das Mainzer Publikum inzwischen verwöhnt?
Thurk: „Früher war die Bundesliga eine Ausnahme, heute ist sie Gewohnheit, leider. Die Fans waren früher ein ganz wichtiger Baustein für den Erfolg. Sie wussten genau, wann sie die Mannschaft unterstützen mussten. Wir konnten auch mal verlieren und uns wurde trotzdem gut zugeredet. Die Leute in Mainz müssen wissen, wie wichtig das ist. Das muss wieder so sein, denn das wäre ein großer Vorteil gegenüber z.B. dem HSV oder dem VfB Stuttgart.“

Am Bruchweg war die Stimmung auch dank Ihrer Tore immer bestens. Was machte Stadien wie das am Bruchweg gegenüber den modernen Arenen von heute aus?
Thurk: „ (Lacht) Die Atmosphäre war ganz speziell. Der Bruchweg ist mein Lieblingsstadion. Daran erinnere ich mich gerne zurück, weil das noch dieser einfache Fußball war. Wir hatten die lauteste Haupttribüne in der Bundesliga, da hat alles in eine Richtung gezogen. Ich war ein paar Mal im neuen Stadion und habe das Gefühl, das ist ein bisschen verloren gegangen. In Mainz ist es aber möglich, dieses Gefühl im neuen Stadion wiederzufinden. Mainz ist dieser spezielle Verein, in dem das geht und in dem man wieder etwas Großes aufbauen kann.“

Im Nachhinein war es ein Fehler. (über den Wechsel nach Frankfurt)

Sie schossen Mainz 05 in die 1. Liga, obwohl Ihnen klar war, dass Sie selber nach der Saison bei Cottbus in der 2. Liga bleiben würden. Konnten Sie die Aufstiegsfeier trotzdem genießen?
Thurk: „Zunächst muss ich sagen, dass wir das als Mannschaft geschafft haben. Ich konnte die Feier genießen, weil ich in einer Truppe und einem Verein gespielt habe, der den Aufstieg mehr als verdient hatte. Für mich stand auch nie zur Debatte in dem Spiel nicht aufzulaufen. Ich wurde vor dem Spiel vom Trainer und Manager gefragt, ob ich mir zutraue zu spielen.

Ich habe es fast als Frechheit empfunden, dass man mir zugetraut hat, in diesem Spiel nicht alles zu geben. Für mich war klar, wir wollen zusammen aufsteigen. Natürlich konnte ich die Verantwortlichen da verstehen. Es war zwar es ein komisches Gefühl, aber ich bin heute noch stolz, dass ich sagen kann, ich bin dabeigeblieben und ich durfte ein Teil der Mannschaft sein, die das zum ersten Mal in der Mainzer Geschichte geschafft hat.“ 

Für Energie Cottbus machten Sie verletzungsbedingt nur 10 Spiele, verfolgen Sie den Verein trotzdem noch? Aktuell sieht es ja sehr gut aus in der Regionalliga.
Thurk: „Cottbus verfolge ich nicht so intensiv. Ich schaue nach all meinen Ex-Vereinen, aber Cottbus kommt da ziemlich weit hinten, wenn ich ehrlich bin.“  

Im September beginne ich mit der A-Lizenz (über eine Rückkehr in den Fußball)

Damals zahlten Sie im Winter einen Teil Ihrer Ablöse selber um zu Mainz 05 zurückzukehren. Warum war Ihnen der Wechsel zum alten Verein so wichtig?
Thurk: „Zunächst war es überhaupt nicht mein Plan, zu Mainz zurück zu wechseln. Ich hatte mich damals in Cottbus nicht mehr richtig wohlgefühlt und hatte eine Anfrage von 1860 München. Rudi Bommer wollte mich schon mehrmals haben und ich war schon so weit, dass ich zu ihm wechseln wollte. Irgendwann haben mich mehrere Leute von Mainz angerufen.

Das kam mir komisch vor, bis mich irgendwann Christian Heidel angerufen hat und mich gefragt hat, ob ich mir vorstellen könnte zurückzukommen. Bundesliga war immer mein Traum, sodass ich dann nicht zu 1860, sondern zurück zu Mainz gegangen bin. Das war für mich auch eine Herzensangelegenheit und es wurden sehr erfolgreiche eineinhalb Jahre in Mainz.“

Sie wollten also zu Ihrem Herzensverein zurück. Können Sie denn Spieler wie Aubameyang verstehen, die mit allen Mitteln einen Wechsel erreichen wollen?
Thurk: „Ich hatte eine ähnliche Situation in Mainz. Ich bin in Frankfurt geboren und war als Kind immer Fan von Eintracht Frankfurt. Ich habe mich in Mainz pudelwohl gefühlt, bin dort fußballerisch groß geworden und dann kam die Anfrage von Eintracht Frankfurt. Ich hätte bei jeder anderen Anfrage gesagt, ich will in Mainz bleiben, aber dann kam dieser eine Verein, bei dem ich in der Jugend immer mitgefiebert habe.

Diesen Traum wollte ich mir auch verwirklichen. Im Nachhinein muss ich sagen, es war ein Fehler. Ich hätte nicht aufgeben sollen, was ich in Mainz hatte, mit dem Wissen wie es im Nachhinein gelaufen ist und wie der Empfang war. Von daher kann ich solche Spieler verstehen, aber nicht so wie die es gemacht haben. Die haben keinen Bezug zu ihrem neuen Verein.“

Sie machten zuletzt eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten. Haben Sie mit dem Profi-Fußball komplett abgeschlossen oder sehen wir Sie nochmal in irgendeiner Funktion wieder?
Thurk: „Ich musste ja nach der Verletzung in Heidenheim das Fußballspielen aufgeben. Über die Berufsgenossenschaft habe ich dann eine Umschulung angefangen, die ich im Juli abschließe. Im September bin ich beim Trainerlehrgang für die A-Lizenz dabei. Nebenbei trainiere ich die Mannschaft meines Sohnes, zu mehr ist momentan noch nicht die Zeit da. Aber es ist schon das Ziel, in der nächsten Zeit wieder in den Fußballbereich zurückzukehren.“

Herr Thurk, vielen Dank für das Gespräch.

Noch mehr Storys mit unseren Helden von damals gibt es hier. Ein weiteres Interview aus unserer beliebten Rubrik könnt Ihr schon in der kommenden Woche lesen!