Deine Helden von damals: Jürgen Grabowski

EM-Spezial mit Jürgen Grabowski

„Bei der Siegesfeier 1972 war ich deprimiert“

Jürgen Grabowski als „Ikone von Eintracht Frankfurt“ zu beschreiben, ist beinahe eine Untertreibung. In den 1970er Jahren hatte er seine große Zeit, als Spieler war er sowohl beim Gewinn der Europameisterschaft 1972 als auch beim Weltmeister-Titel 1974 dabei – und das als einer von wenigen Spielern, die nicht für den FC Bayern oder Gladbach aktiv waren.

Jürgen Grabowski im Duell mit Rene van de Kerkhof und Ruud Krol.
Europameister 1972 & Weltmeister 1974: Eintracht Frankfurts Jürgen Grabowski. ©Imago

Im EM-Interview zu unserer Rubrik „Deine Helden von damals“ erinnert sich der heute 71-Jährige an die damalige Zeit. Grabowski verrät, warum er den Titel damals für sich selbst nicht so richtig feiern konnte und wie er die Möglichkeiten der deutschen Nationalmannschaft auf den EM-Titel 2016 einschätzt.

Jürgen Grabowski, Stichtag 18. Juni 1972. Was fällt Ihnen dazu ein?
Jürgen Grabowski: „Da müsste das Endspiel der Europameisterschaft gegen die Sowjetunion stattgefunden haben…“

Genau. Das Spiel hat die deutsche Nationalmannschaft letztlich souverän mit 3:0 gewonnen. Wann war Ihnen klar, dass Sie sich den Titel nicht mehr nehmen lassen würden?
Grabowski: „So souverän, wie wir gleich am Anfang aufgetrumpft sind, war fast abzusehen, dass es einen Sieg gibt. Die Sowjetunion war damals als stärkerer Gegner eingeschätzt worden, aber die deutsche Mannschaft war sehr stark und ist im Endspiel sehr souverän aufgetreten.“

Ich war sauer auf Helmut Schön (Jürgen Grabowski)

Im Finale haben Sie nicht gespielt. War es schwer, die Nicht-Berücksichtigung zu akzeptieren?
Grabowski: „Das war für mich ganz schwer, ich habe es auch für mich persönlich nicht akzeptiert. Damals war der Modus ja ein anderer als heute – und von den zehn Spielen vor der Endrunde habe ich acht absolviert. Aber dann hatte ich vor einem Spiel in München eine leichte Blessur am Knie. Da hat Bundestrainer Helmut Schön zu mir gesagt: ‚Jürgen, setz lieber heute aus, damit du für die Endrunde fit bist‘.

Und dann hat, glaube ich, der Erwin Kremers ein richtig gutes Spiel gemacht und ich war praktisch raus aus der Mannschaft. Aber als ich dann bei der Endrunde auch erst auf der Bank saß, war ich sehr enttäuscht und sauer auf Helmut Schön. Wenn er mich wenigstens im Finale eingewechselt hätte, hätte ich mich eher als Europameister gefühlt.“

Bernard Dietz grätscht gegen Jürgen Grabowski.
Für seine Frankfurter Eintracht erzielte „Grabi“ in 441 Bundesliga-Einsätzen 109 Treffer. ©Imago

Trotzdem sind Sie ja Europameister. Welche Erinnerungen haben Sie noch an die Siegesfeier 1972?
Grabowski: „Da habe ich keine großen Erinnerungen daran, weil ich so deprimiert war. Da habe ich gewisse Dinge einfach ausgeblendet.“

Also hat die WM 1974 trotz des teils traumhaften Fußballs von 1972 einen viel höheren Stellenwert für Sie persönlich?
Grabowski: „Ja, für mich auf jeden Fall. Bei der WM 1974 war ich Stammspieler und bin nur durch das unsägliche Spiel gegen die damalige DDR aus der Mannschaft gerutscht.

Das war für mich eigentlich auch eine Katastrophe, aber gegen Schweden bin ich dann eingewechselt worden und hab das wichtigste Tor meines Lebens geschossen. Danach war ich wieder in der Mannschaft und deshalb ist der Stellenwert für mich deutlich höher als der Gewinn der EM.“

Auf dem Weg zur Endrunde gab es den legendären 3:1-Erfolg im Wembley-Stadion gegen England. Ist dieses Spiel für Sie auch heute noch das beste Spiel, das eine deutsche Nationalelf je abgeliefert hat?
Grabowski: „Die Nationalmannschaft war damals wirklich gut. Aber wenn man heute jemanden erzählt, dass wir 1972 in Wembley ein gutes Spiel gemacht haben, dann lächeln vor allem die jüngeren Leute. Die denken, wir sind damals im Dauerlauf über den Rasen gelaufen.

Aber ganz ehrlich: Das war schon ein tolles Spiel. Damals hat ja jeder gezittert, wenn er in England antreten musste. Die Engländer hatten eine unheimlich robuste und torgefährliche Mannschaft. Keiner hat uns einen Sieg zugetraut, aber wir wussten, dass wir etwas entgegenzusetzen hatten. Das war wirklich ein Sensationssieg.“

Das Team um Beckenbauer, Breitner und Netzer war damals ein Sammelsurium an Stars. Wie hat Helmut Schön diese Einzelkönner zu einer echten Mannschaft geformt oder war das gar nicht nötig?
Grabowski: „Vorneweg: Helmut Schön war ein erstklassiger Trainer. Aber – ohne seine Leistung zu schmälern – er hat eigentlich nur noch taktisch sortieren müssen. Die Spieler wussten schon von alleine, wo es langgeht.“

Deutschland im Endspiel wäre schön (Jürgen Grabowski)

Zum Schluss ein Ausblick auf die EURO 2016. Was trauen Sie der Mannschaft von Jogi Löw in Frankreich zu?
Grabowski: „Die deutsche Nationalmannschaft war immer eine Turniermannschaft. Schon bei den letzten Turnieren war Deutschland immer ein Favorit, aber viele Fußball-Experten waren sich nicht sicher, ob das wirklich gut geht. Aber im Turnier hat sich die Mannschaft dann immer gesteigert.

Jetzt ist es ähnlich: Jogi Löw hat sehr viele gute Spieler, aber ein Ilkay Gündogan ist zum Beispiel weggebrochen. Und deswegen gibt es da jetzt wieder gewisse Sorgen, dass die ganze Maschinerie läuft. Wir gehören wieder zu den Favoriten, aber es gibt viele andere Mannschaften, die nicht schlechter sind als wir.“

Ihr Tipp?
Grabowski: „Das kann ich nicht genau sagen, aber es wäre schön, wenn Deutschland ins Endspiel kommen würde.“

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