Deine Helden von damals: Jens Nowotny

"Ich sehe die Fußball-Begeisterung in der Region Karlsruhe"

Jens Nowotny als „Wandervogel“ zu bezeichnen, wäre wohl die maßloseste Übertreibung des Jahrzehnts. In seiner aktiven Karriere als Profi spielte der heute 43-Jährige nämlich nur für drei Vereine: Den Karlsruher SC, Bayer Leverkusen und – für ein halbes Jahr – Dinamo Zagreb. 2007 hat der heutige Spielerberater seine Schuhe an den Nagel gehangen.

Zweikampf zwischen Knup und Nowotny
Karriere-Anfänge. Beim KSC (hier im Derby gegen Stuttgart ’92) feierte Jens Nowotny sein Bundesliga-Debüt. ©Imago/Pressefoto Baumann

Für unsere Rubrik „Deine Helden von damals“ haben wir mit Jens Nowotny über seine kriselnden Ex-Klubs KSC und Leverkusen gesprochen. Zudem erfahrt Ihr, warum er der DFB-Elf bei der WM 2018 die Titelverteidigung zutraut und auf welche Spieler er in der Nationalelf der Zukunft bauen würde!

Herr Nowotny, finden Sie es eigentlich schade, dass es den klassischen Libero, wie Sie einer waren, im Profi-Fußball nicht mehr gibt?
Jens Nowotny: „Nein, wir hatten dieses Thema ja auch zu meiner Zeit in Leverkusen schon relativ schnell ad acta gelegt. Es gibt aber auch heute wieder den Trend, von vier auf drei Abwehrspieler umzustellen. Wer Erfolg hat, wird den anderen immer als Vorreiter zeigen, was machbar ist. Dann ziehen einige nach und probieren das Gleiche.“

Warum waren Sie für diese Position prädestiniert?
Nowotny: „Es ist natürlich immer schwierig, über sich selbst zu reden. Statistisch gesehen – und Christoph Daum, unser Trainer in Leverkusen, war ja ein Statistiker vor dem Herrn – war es wohl meine Zweikampfstärke. Hinzu kamen Schnelligkeit und Verantwortungsbewusstsein.“

Ich sehe die Fußball-Begeisterung in der Region Karlsruhe. (Jens Nowotny)

Begonnen haben Sie Ihre Profi-Karriere 1992 in Karlsruhe, standen 1994 im UEFA-Cup-Halbfinale. Tut es Ihnen da nicht in der Seele weh, wenn Sie den KSC heute auf dem letzten Platz der 2. Bundesliga sehen?
Nowotny: „Es ist ja nicht das erste Mal. Der Verein ist ja schon mal abgestiegen und wieder nach oben gekommen.

Ich finde es aber einfach schade, dass es jetzt wieder so einen negativen Lauf nimmt. Wenn ich zwischendurch mal in Karlsruhe bin, sehe ich die Fußball-Begeisterung in der Region. Beim KSC ist es eigentlich wie bei vielen anderen Klubs, bei denen man sagt: Tja, eigentlich gehören die in die 1. Liga.“

Was ist in Ihren Augen in dieser Saison schiefgelaufen?
Nowotny: „Vor der Saison hat man sich ja leider nicht mit Markus Kauczinski einigen können, das war eigentlich eine vielversprechende Partnerschaft. Und was ich dann aus der Ferne so mitbekommen habe, hat es leider mit den nächsten beiden Trainern Tomas Oral und Mirko Slomka einfach nicht gepasst.“

Fehlte dem KSC bei Oral und Slomka nicht auch ein wenig Geduld?
Nowotny: „Das können nur die Mannschaft oder vereinsinterne Personen entscheiden, weil die den Einblick haben. Für mich ist immer wichtig, wie sich eine Mannschaft und einzelne Spieler entwickeln.

Natürlich kann man immer mal in den Abstiegskampf hineinrutschen, aber wenn man beim Trainer eine Philosophie erkennt, die sich in der Mannschaft peu à peu wiederspiegelt, dann sollte man ruhig die Geduld aufbringen. Nur hat man diese Zeit heutzutage im Fußball, zu sagen: Okay, wenn es dieses Jahr nicht klappt, dann halt nächstes Jahr? Schwierig.“

Wie wichtig ist es, dass der KSC in der kommenden Drittliga-Saison wohl auf erfahrene Leute wie Dirk Orlishausen und Martin Stoll bauen kann?
Nowotny: „Du brauchst in jeder Liga ein Gerüst aus erfahrenen und hungrigen, wilden Spielern, die Gas geben und sich für den Verein aufopfern. Solche Bekenntnisse wie von den beiden sind vor allem für die Fans wichtig.

Die sehen dann eine Mannschaft, die nicht nur aus Söldnern zusammengekauft ist, sondern auch eine Verbundenheit zum Verein und dem Umfeld hat. Das ist durchaus positiv zu bewerten.“

Zweikampf zwischen Nowotny und Figo
Glanzzeiten. Mit Bayer Leverkusen mischte Nowotny die Champions League & Gegner wie Real auf. ©Imago/Miguelez Sportfoto

Auch Bayer Leverkusen, hat sich die Saison ganz anders vorgestellt. Haben Sie eine Erklärung für die oftmals dürftigen Leistungen der Werkself?
Nowotny: „Die Frage ist auch da: Warum hat man sich von Roger Schmidt getrennt? Hat sich die Mannschaft nicht entwickelt oder ist es nur eine schlechte Phase, die man durchmacht? Oder gab es interne Meinungsverschiedenheiten? Die Qualität ist in der Mannschaft ja vorhanden. Und Roger hatte ein Konzept, nachdem die Mannschaft gespielt hat.

Aber man hat gemerkt, dass dieser frühere Hurra-Stil – also den Gegner vorne unter Druck setzen, eiskalt umschalten und den Gegner schnell in die Bredouille zu bringen – nicht mehr funktioniert hat. Das hat einerseits mit Verletzungen, aber auch mit Transfers zu tun gehabt. Aber so wie es im Moment aussieht, hätte man vielleicht doch sagen sollen, dass man den Weg mit Roger weitergeht und versucht, mit ihm den Turnaround zu schaffen.“

Ich fand die Entscheidung für Korkut verwunderlich. (Jens Nowotny)

War die Installation von Tayfun Korkut als Übergangs-Trainer ein Fehler, hätte man nicht sofort nach einer längerfristigen Lösung schauen sollen?
Nowotny: „Ohne jetzt auf die Person einzugehen, stellt sich eigentlich eher die Frage: Welches System, welche Art von Fußball hat die Mannschaft bisher gespielt und was möchte man jetzt? Deswegen fand ich die Entscheidung für Korkut ein bisschen verwunderlich.

Roger Schmidt stand für dynamischen, risikofreudigen und offensiven Fußball. Tayfun Korkut ist eher jemand, der auf Ballbesitz, Sicherheit und die defensive Stärke baut. So etwas in eine Mannschaft hineinzubringen – in einer Situation, in der es nicht läuft – das war für mich gewöhnungsbedürftig. Aber die Verantwortlichen werden sich schon etwas dabei gedacht haben.“

Hat die Mannschaft womöglich auch die lange Sperre von Hakan Calhanoglu nicht verkraftet?
Nowotny: „Wenn ein Spieler so lange gesperrt wird, sollte sich die Mannschaft nach einer gewissen Zeit darauf eingestellt haben, dass man mit ihm in dieser Saison leider nicht mehr planen kann.

Auch da finde ich es dann aber relativ unglücklich, dass nach dieser Entscheidung von Seiten des Beraters die Diskussion aufgekommen ist, wie es nach der Saison überhaupt mit Calhanoglu weitergeht. Das passt zu dieser Situation, in der man das Gefühl hat, dass in Leverkusen momentan jeder nur an sich denkt. Und genau dann wird es schwierig.“

Was muss im Sommer in Leverkusen passieren, wenn der Klassenerhalt geschafft werden sollte?
Nowotny: „Die Mannschaft muss zusammengehalten werden. Das Problem wird sein, dass Leute wie Chicharito, Bernd Leno, Benjamin Henrichs und vielleicht auch Kai Havertz in den Fokus von Vereinen rücken, die international dabei sind und mit diesem Wettbewerb locken können. Gerade mit Blick auf die WM 2018.“

Schauen wir zum Schluss noch auf die Nationalelf. Sie spielten die vermaledeiten EM-Turniere 2000 und 2004. Hätten Sie damals gedacht, dass Deutschland bei den folgenden Turnieren bis heute immer mindestens ins Halbfinale kommen würde?
Nowotny: „Ja, weil damals die Erkenntnis gekommen ist, dass es so nicht weitergehen kann und man etwas ändern muss. Das hat man dann auch mit personellen und strukturellen Entscheidungen getan.

Dass man letztendlich so gut durch die nächsten Turniere gekommen ist, hing natürlich auch mit dem guten Nachwuchs zusammen. Da wurde schon etwas bewegt, angefangen mit Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski. Natürlich ist das auch keine Garantie für Erfolg, aber es war schon damals zu sehen, dass wir einen starken Nachwuchs haben.“

Wir haben Qualität, aber die anderen schlafen nicht. (Jens Nowotny)

Den Neustart haben Sie selbst noch auf dem Platz miterlebt, beim Sommermärchen 2006 kamen Sie im Spiel um Platz 3 zum Einsatz. Wie haben Sie die WM im eigenen Land erlebt?
Nowotny: „Das war das Größte, was es gegeben hat. Eine WM an sich ist ja schon für viele, viele Fußballer unerreichbar. Und dann noch eine WM im eigenen Land zu erleben, mit dieser Aufbruchsstimmung in Deutschland, das war schon ein tolles Gefühl.“

Trauen Sie der Löw-Elf zu, den WM-Titel 2018 in Russland zu verteidigen?
Nowotny: „Klar, die Qualität ist auf jeden Fall da. Es kommen ja auch Top-Leute wie Leverkusens Julian Brandt oder Schalkes Leon Goretzka nach. Die werden jetzt nach und nach in der Nationalmannschaft die Verantwortung übernehmen müssen. Und das werden sie schaffen.

Man hat aber gesehen, dass auch England eine durchaus interessante Truppe beisammen hat. Auch Argentinien hat mit Paulo Dybala wieder einen Jungstar als Hoffnungsträger. Man muss also sagen: Wir haben zwar die Qualität, aber die anderen schlafen nicht.“

Herr Nowotny, wir danken Ihnen sehr für dieses Gespräch!

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