Helden von damals: EM-Special mit Oliver Reck

EM-Spezial: Interview mit Oliver Reck

„Wir haben eine goldene Generation“

Oftmals als „Pannen-Olli“ verschrien, galt Oliver Reck dennoch als einer der besten deutschen Torhüter seiner Zeit. Der Lohn: 1996 war er als dritter Torwart bei der Europameisterschaft in England dabei und durfte am Ende den Pokal in die Höhe stemmen.

Oliver Reck, Oliver Bierhoff und Andreas Köpke beim EM-Triumph 1996.
Oliver Reck (l.) feiert den EM-Titel 1996 mit Final-Torschütze Oliver Bierhoff & Stammkeeper Andy Köpke. ©Imago

Insgesamt kam der heutige Trainer von Offenbach auf 471 Bundesliga-Spiele für die Kickers, Werder Bremen und Schalke 04. Im Interview für unsere Rubrik „Deine Helden von damals“ spricht der heute 51-Jährige über die EM 1996 und die anstehende EURO 2016.

Oliver Reck, was war das für ein Gefühl, 1996 Europameister zu werden?
Oliver Reck: „Das war eine schöne Geschichte. Wir galten damals vor dem Turnier nicht als der große Favorit, aber die Mannschaft hat sich vom ersten Tag an sehr, sehr gut gefunden.

Wir hatten vor diesem Turnier unheimlich viele verletzte Spieler – das haben wir aber sehr gut ausgeglichen und uns konstant gesteigert. Schlussendlich sind wir mit ein bisschen Glück, aber auch mit einem guten Teamgeist Europameister geworden.“

„Glück“ ist das richtige Stichwort, vor allem beim Golden Goal von Oliver Bierhoff zum 2:1-Finalsieg in der Verlängerung gegen Tschechien. Was ging Ihnen durch den Kopf, als der Ball ins Tor kullerte?
Reck: „In dem Moment haben wir natürlich nicht damit gerechnet, weil der Schuss recht harmlos aussah. Zum Glück für uns hat der Torwart (Petr Kouba, Anm. d. Red.) den Ball falsch eingeschätzt.

Oliver Bierhoff zehrt als Teammanger des DFB ja heute noch von diesem Tor. (lacht) Nein, wir haben alle davon gezehrt und waren glücklich, dass es so gekommen ist. Aber die Mannschaft hat sich das Glück auch verdient und erarbeitet.“

Bei der Siegerehrung haben Sie Queen Elizabeth II. die Hand geschüttelt…
Reck: „Nicht nur bei der Siegerehrung, auch schon vor dem Halbfinale gegen England. Vor dem Spiel standen wir alle auf dem Platz. Da hat Jürgen Klinsmann uns der Queen vorgestellt und wir mussten alle einen Knicks machen. Das war aber natürlich ein schönes Gefühl, ihr die Hand zu schütteln.“

Jeder hatte im Hinterkopf, dass wir nicht verlieren können (Oliver Reck)

Gab es vor dem Elfmeterschießen damals vom Bundestrainer die Überlegung, den Torhüter auszutauschen – ähnlich wie wir das bei der WM 2014 bei den Holländern gesehen haben?
Reck: „Nein. Wir wussten, dass wir mit Andy Köpke einen guten Torwart im Tor hatten, der jeden Schuss halten konnte. Und andererseits hatten wir auch sehr gute Schützen, die letztendlich alle eiskalt verwandelt haben.“

Hat man da als Spieler im Hinterkopf, dass man als deutsche Mannschaft sowieso kein Elfmeterschießen verlieren kann, schon gar nicht gegen England?
Reck: „Ausgesprochen hat es niemand, aber bestimmt hatte es jeder im Hinterkopf. Aber es muss dann eben auch erstmal gewonnen werden.“

Wie war die Stimmung zwischen Ihnen und den anderen beiden Torhütern Andreas Köpke und Oliver Kahn?
Reck: „Sehr harmonisch. Die Positionen waren schon vor dem Turnier klar verteilt, Andy Köpke war die Nummer 1. Sepp Maier hat das Ganze als Torwarttrainer gut geleitet und uns gut auf das Turnier und die einzelnen Spiele eingestellt.“

Oliver Reck im Spiel gegen den VfB Stuttgart.
Seine erfolgreichste Zeit im Verein erlebte Reck bei Werder Bremen zwischen 1985 und 1998. ©Imago

Ist es nicht schwierig, zu einem Turnier zu fahren und zu wissen, dass man unter normalen Umständen keine Chance auf einen Einsatz hat?
Reck: „Nein. Ich war ja auch kein Grünschnabel mehr, hatte schon ein paar Jahre in der Bundesliga gespielt und war bereits vorher bei dem einen oder anderen Länderspiel dabei. Von daher war das nichts Neues für mich. Olli Kahn wollte natürlich gerne die Nummer 1 sein, aber letztlich war es für ihn gut, als junger Torhüter in so ein Turnier nur reinzuschnuppern.“

Was sind die drei wichtigsten Dinge, um so ein Turnier zu gewinnen?
Reck: „Man muss natürlich einen guten Teamgeist entwickeln, nicht nur unter den Spielern, sondern auch mit dem Betreuerstab. Außerdem braucht man eine gut funktionierende Mannschaft und eine gute Spielidee. Und schlussendlich braucht man auch das Quäntchen Glück.“

Wir sollten optimistisch sein, eine gute EM zu spielen (Oliver Reck)

Viele Fans sind momentan noch skeptisch, ob die Nationalmannschaft im Sommer Europameister werden kann. Wie schätzen Sie die Chancen ein?
Reck: „Wir haben eine goldene Generation. Die Arbeit, die seit Jahren durch die Nachwuchsleistungszentren betrieben wird, zahlt sich aus. Deshalb sollten wir optimistisch sein, eine gute EM zu spielen. Ich glaube auch, dass das klappt. Ob es zum Schluss auch zum Titel reicht, das steht auf einem anderen Blatt.“

Welche Nationen sind für Sie die größten Konkurrenten um den Titel?
Reck: „Als Gastgeber muss man da natürlich Frankreich nennen. Aber ich habe auch die Spanier und die Italiener auf der Rechnung, die immer ein gutes Turnier spielen können. Außerdem ist Belgien für mich ein Mit-Favorit, weil die Belgier in den vergangenen Jahren viele tolle Spieler entwickelt haben, die bei europäischen Top-Klubs spielen.“

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Im deutschen Tor hat sich Jogi Löw für Marc-André ter Stegen und Bernd Leno als Ersatzkeeper hinter Manuel Neuer entschieden. Wen hätten Sie mitgenommen?
Reck: „Man sollte auf junge Torhüter setzen, um zu sehen, wer in den nächsten Jahren Druck auf Manuel Neuer ausüben kann. Ich hätte aber eher zu Ralf Fährmann tendiert – natürlich auch, weil ich an seiner Ausbildung beteiligt war. Aber er hat eben in den vergangenen beiden Jahren auch Top-Leistungen bei Schalke 04 gezeigt. Davor ziehe ich den Hut.“

Oliver Reck, Ihr Tipp: Wie weit kommt Deutschland bei der EURO 2016?
Reck: „Mindestens bis ins Halbfinale – und dann ist alles möglich. Dieses Jahr nehmen ja erstmals einige Mannschaften mehr an der Endrunde teil. Deshalb ist es natürlich auch möglich, schon früher auszuscheiden, wenn man auf einen guten Gegner trifft. Aber ich glaube an das Halbfinale.“