Deine Helden von damals: David Jarolim
Deine Helden von damals: David Jarolim
„Dem HSV fehlen die Persönlichkeiten“
Für seine Kontrahenten war David Jarolim aufgrund seiner Spielweise vielleicht einer der unangenehmsten Gegner überhaupt. Bei den Fans seiner Vereine allerdings galt er immer als Publikumsliebling, egal ob beim 1. FC Nürnberg (78 Pflichtspiele) oder beim Hamburger SV (342 Einsätze).
Im Interview für unsere Rubrik „Deine Helden von damals“ erinnert sich der Tscheche an seine Zeit in Deutschland. Außerdem redet Jarolim offen und ehrlich über die aktuelle Situation beim HSV und schätzt zudem die Chancen des 1. FC Nürnberg auf die Bundesliga-Rückkehr ein.
Herr Jarolim, Sie haben 318 Spiele in der Fußball-Bundesliga absolviert. Welches war Ihr schönstes?
David Jarolim: „Es gibt viele Spiele, die im Kopf hängen bleiben. Aber wahrscheinlich sind es das erste Bundesliga-Spiel und mein letztes Spiel für den HSV, an die ich mich am meisten erinnere.“
Sie sind 1995 in die Jugend des FC Bayern gewechselt. Warum hat es nur zu drei Einsätzen bei den Profis gereicht?
Jarolim: „Es war für junge Spieler damals ziemlich schwierig bei Bayern. Es gibt dort eine tolle Jugendarbeit mit vielen talentierten Spielern. Da war ich schon froh, dass ich überhaupt einen Profi-Vertrag bekommen habe. In dieser Zeit habe ich aber viel gelernt, deswegen war es für mich wichtig, diese Erfahrung beim FC Bayern zu machen.“
2000 wechselten Sie zum 1. FC Nürnberg. War es für Sie damals ein Rückschritt, vom großen FC Bayern zum „Club“ in die 2. Liga zu gehen?
Jarolim: „Überhaupt nicht. Ich wollte ein wichtiger Spieler in einer deutschen Profi-Mannschaft sein, deshalb war das für mich eher ein Schritt nach vorne. Und wir sind dann ja auch in die Bundesliga aufgestiegen.“
Nürnberg gehört in die Bundesliga. (David Jarolim)
Die Nürnberger spielen inzwischen aber wieder in der 2. Liga. Nach einem schwachen Start hat sich der „Club“ zuletzt gefangen und mehrere Siege in Folge eingefahren. Glauben Sie, dass da noch etwas in Richtung Aufstieg geht?
Jarolim: „Mich würde es freuen, wenn sie in die Bundesliga kommen. Nürnberg ist eine Mannschaft, die aufgrund ihrer Fans und der Tradition in die Bundesliga gehört. Allerdings ist es immer schwierig, aufzusteigen – die 2. Liga ist sehr ausgeglichen. Aber der FCN hat die Qualität, den Aufstieg zu schaffen.“
2003 ging es für Sie weiter zum Hamburger SV, für den Sie letztlich neun Jahre spielten. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie die aktuelle Situation beim HSV sehen?
Jarolim: „Das ist ja nichts Neues, das war schon in der letzten und vorletzten Saison so. Es ist einfach keine Ruhe im Verein. Ich kann das aus der Ferne zwar nicht genau beurteilen, aber es ist klar, dass etwas falsch gemacht wird. Ich denke nach wie vor, dass die Qualität da ist. Aber meiner Meinung nach fehlen die Persönlichkeiten und eine klare Hierarchie auf dem Platz.
Zu meiner Zeit hat sich alles Schritt für Schritt entwickelt. Bevor wir international gespielt haben, sind einige gute Spieler für wenig Geld gekommen – die haben dann nach und nach mehr verdient. Jetzt habe ich das Gefühl, dass die aktuellen Spieler immer noch für viel Geld kommen, obwohl der HSV nicht mehr international spielt. Das wirkt sich nicht unbedingt positiv auf die Motivation dieser Spieler aus. Da sehe ich das entscheidende Problem: Man sollte mehr auf den Charakter der Spieler schauen, die man holt.“
Der HSV hat nichts gelernt. (David Jarolim)
Sie haben mit dem HSV in der Champions League gespielt, standen zudem im Halbfinale der Europa League. Hätten Sie sich bei Ihrem Weggang 2012 vorstellen können, dass es mit dem Verein so schnell bergab gehen würde?
Jarolim: „So schnell nicht. Der HSV musste zweimal in die Relegation. Da hat sich der Verein zwar immer gerettet, aber scheinbar überhaupt nichts daraus gelernt. Natürlich haben auch einige erfahrene Spieler den Verein verlassen, deshalb war es klar, dass es schwierig wird. Für die Zukunft ist jetzt einfach wichtig, so schnell wie möglich eine gute Mischung zu finden. Darum sollte man Spieler holen, auf die man sich verlassen kann.“
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Von Hamburg aus wechselten Sie über Evian zurück in Ihre Heimat Tschechien zu Mlada Boleslav. Dort sind Sie auch heute noch als Co-Trainer angestellt – wie läuft es für Ihr Team und was sind die Saisonziele?
Jarolim: „Wir sind Tabellen-2. und haben in der vergangenen Woche gegen den Spitzenreiter FC Zlin leider knapp verloren. Aber unser Ziel bleibt es, uns für die Europa League zu qualifizieren.“
Ihr Vater Karel ist seit August Trainer der tschechischen Nationalmannschaft. Wollte er Sie als Co-Trainer haben?
Jarolim: „Ja, wir haben schon hier bei Boleslav zusammengearbeitet. Als dann im Sommer das Angebot kam, habe ich ihm geraten, es anzunehmen. Er wollte mich gerne als Co-Trainer mitnehmen, aber ich war gerade dabei, meine Trainerlizenz zu machen. Da brauche ich jeden Tag, um zu trainieren und Erfahrungen zu sammeln. Deshalb habe ich mich entschieden, bei Mlada zu bleiben.“
Deutschland spielt den Fußball, den man sehen will. (David Jarolim)
Tschechien spielt in einer Quali-Gruppe mit Deutschland. Was ist drin für Ihr Land?
Jarolim: „Wir sind leider nicht gut gestartet – nach drei Spieltagen nur zwei Punkte zu haben, ist schon enttäuschend. Aber es ist nach wie vor unser Ziel, Zweiter in dieser Gruppe zu werden. Hoffentlich werden uns diese Punktverluste gegen Irland und Aserbaidschan am Ende nicht weh tun.“
Was halten Sie aktuell vom deutschen Fußball, auch in der Nationalmannschaft?
Jarolim: „Deutschland gehört absolut verdient zu den Top-Ländern in der Welt. Der Fußball, der gerade in der Bundesliga und auch in der Nationalmannschaft gespielt wird, ist der Fußball, den man sehen will. Es macht einfach Spaß, dabei zuzuschauen.“